Psychische Gewalt im Sport: Warnsignale & Prävention
Heute sprechen Linn Kleine und ich über ein Thema, das Leistung und Menschlichkeit gleichermaßen betrifft: psychische/emotionale Gewalt im Sport. Aus unserem Gespräch ist eines klar geworden: Leistung darf nie auf Kosten von Respekt, Würde und Sicherheit entstehen. In diesem Beitrag bündeln wir die wichtigsten Punkte aus dem Interview – verständlich, praxisnah und mit klaren Anlaufstellen.
Triggerwarnung: In diesem Beitrag geht es um interpersonale Gewalt. Lies ihn nur, wenn es dir damit gut geht.
Warum wir darüber sprechen müssen
Linn hat im Gespräch sehr offen eingeordnet, warum sie ihre leistungssportliche Karriere beendet hat – nicht nur wegen Verletzungen, sondern auch wegen Erfahrungen mit Grenzüberschreitungen und einem System, das Abhängigkeiten erzeugen kann. Eine Szene blieb hängen: Ein Blick auf den neuen Trainingsplan – und mitten in der Stadt rollen die Tränen. Nicht, weil Linn „schwach“ war, sondern weil Druck, Kontrolle und Angst, Erwartungen nicht zu erfüllenin Summe überwältigend werden können.
Wir sprachen auch darüber, dass Wettkämpfe für Linn nie das „Highlight“ waren, sondern eher ein notwendiges Übel. Das zeigt: Leistungserleben ist individuell. Wenn das Umfeld diese Individualität nicht respektiert, entsteht schnell ein Nährboden für psychische Gewalt – ganz ohne sichtbare blaue Flecken.
Was ist emotionale/psychische Gewalt?
Emotionaler Missbrauch hat viele Gesichter, u. a. Demütigen, Einschüchtern, Ignorieren, Abwerten, Beschämen, Drohen, Bloßstellen, Erpressen oder das Unterlaufen von Grenzen (z. B. körperliche Nähe ohne Einverständnis). Tückisch: Selten gibt es „Beweise“ – und doch kann die Wirkung massiv sein (Schlafstörungen, Angst, depressive Symptome, psychosomatische Beschwerden). Körper und Psyche sind keine Inseln. Was im Kopf passiert, trifft früher oder später den Körper – und umgekehrt.
Warum Betroffene oft schweigen
Aus unserem Gespräch kristallisierten sich fünf Gründe heraus:
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Angst vor Konsequenzen: Wer etwas sagt, riskiert Kaderstatus, Trainingsgruppe, Startmöglichkeiten.
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Machtgefälle & Abhängigkeit: Trainer:innen entscheiden über Inhalte, Normen, Nominierungen.
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Normalisierung: „Das gehört eben dazu“ – besonders in sehr jungen Jahren wird vieles still toleriert.
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Gaslighting & Bagatellisierung: „Stell dich nicht so an“, „Du willst nur Aufmerksamkeit“.
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Soziale Kosten: Niemand möchte „die Person“ sein, die den Frieden stört.
Eine prägnante Frage, die wir diskutiert haben: „Kann ein guter Trainer menschlich ein Ar… sein?“ Unsere klare Antwort: Nein. Fachliche Qualität ohne gelebte Haltung ist keine Qualität.
Klare Grenzen im Trainingsalltag
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Konsens ist Mindeststandard. Hilfestellung, Berührungen, Umarmungen müssen gefragt sein – immer.
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Sprache formt Realität. Kommentare über Körper, Gewicht oder Aussehen sind keine „Motivation“.
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Privatleben bleibt privat. Beziehungsverbote oder Kontrolle außerhalb des Trainings sind übergriffig.
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Transparenz schlägt 1:1-Abhängigkeit. Wo alles an einer Person hängt, steigt Missbrauchsrisiko.
Dein 4-Stufen-Plan, wenn eine Grenze überschritten wurde
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Vier-Augen-Gespräch:
In Ich-Botschaften beschreiben („Ich habe das so erlebt…“), Grenze benennen, konkrete Bitte/Vereinbarung formulieren. Termin & Ergebnis notieren. -
Verbündete suchen:
Trainingspartner:innen, Eltern, Vertrauensperson. Wahrnehmung spiegeln, ggf. gemeinsam auftreten. -
Verein/Verband informieren:
Vorstand, Kinderschutz-/PSG-Beauftragte. Dokumentation beifügen, Rückmeldung mit Frist erbitten. -
Unabhängige Stelle kontaktieren:
Athleten Deutschland („Anlauf gegen Gewalt“) / Safe Sport / DLV-PSG. Auf Wunsch anonym; Begleitungsichern.
Wichtig: Du entscheidest das Tempo. Aber du musst es nicht allein tragen.
Dokumentation schützt: Die Checkliste
Halte Vorfälle sofort danach fest – kurz, sachlich, nachvollziehbar:
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Datum, Uhrzeit, Ort
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Beteiligte & Zeug:innen (Namen, Funktionen, Kontakt)
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Wortlaut/Zitat & Handlung (möglichst wörtlich, Kontext)
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Unmittelbare Wirkung (Gefühl, Leistung, Gesundheit)
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Belege/Anhänge (Screenshots, Mails, Fotos; Speicherort/Dateiname)
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Meldung gemacht an / Aktenzeichen/Referenz
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Follow-up (Frist, nächster Schritt, verantwortliche Person)
Warum das wichtig ist? Weil Details den Wind aus den Segeln nehmen – für alle, die relativieren oder bestreiten. Und: Dokumentation hilft dir selbst, die eigene Wahrnehmung nicht kleinzureden.
Eltern & Trainer:innen: Was ihr konkret tun könnt
Eltern
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Informiert euch über Anlaufstellen und Schutzkonzepte im Verein/Land.
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Nehmt Bauchgefühle ernst und hört aktiv zu.
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Stärkt Selbstbestimmung: Euer Kind darf Nein sagen – auch im Training.
Trainer:innen
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Konsens-Prinzip und klare Kommunikationsregeln im Team verankern.
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Transparenz: Feedbackgespräche nicht „im Geheimen“, sondern mit klarer Struktur.
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Schutzkonzept leben (nicht nur aushängen): Zuständigkeiten, Meldewege, Supervision.
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Haltung zeigen: Wer Ungerechtigkeit neutralisiert, unterstützt Täterstrukturen – oft ungewollt.
Anlaufstellen (Deutschland)
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Soforthilfe (akut): 110 Polizei · 112 medizinischer Notfall. Bitte im Zweifel immer anrufen.
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Athleten Deutschland – „Anlauf gegen Gewalt“ (unabhängige Erstberatung/Begleitung)
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Safe Sport (Beratung, Prävention, Meldestrukturen)
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DLV – Prävention sexualisierter Gewalt (PSG)
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Athletensprecher:innen
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Verein/Landesverband (Kinderschutz/PSG)
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Polizeilicher Opferschutz/Gewaltschutzstellen (bundeslandspezifisch)
Hinweis: Diese Informationen ersetzen keine Rechtsberatung. Ziel ist Orientierung und niedrigschwellige Hilfe.
Fazit: Leistung ohne Angst
Die meisten Trainer:innen arbeiten verantwortungsbewusst. Doch einige wenige richten großen Schaden an – oft im Schutz von Strukturen, die Machtgefälle nicht aktiv reflektieren. Unser Gespräch hat gezeigt: Wissen + Sprache + klare Schritte verändern Kultur. Wenn du betroffen bist oder unsicher: Du bist nicht allein. Hol dir Unterstützung, dokumentiere, suche Verbündete – und nutze die Anlaufstellen.
Leistung ohne Angst heißt: Respekt, Transparenz und klare Strukturen – für Athlet:innen, die wachsen können, und für ein Umfeld, das Haltung zeigt.


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