In meinem Interview mit dem HLV Cheftrainer Kurzsprint David Corell ging es zum einen darum welches Talent man als Sprinter mitbringen sollte, um schnell sprinten zu können und zum anderen ging es auch darum, wie seine Trainingsgruppe das Sprinten eigentlich trainiert.
David ist mit nur 26 Jahren einer der derzeit erfolgreichsten Leichtathletik Sprinttrainer Deutschlands. Er trainiert zum einen hauptamtlich für den hessischen Leichtathletik Verband und zum anderen ehrenamtlich für das Sprintteam Wetzlar. In seiner Trainingsgruppe trainieren die Deutschen Meister über 100 m aus den Jahren 2018 und 2019, Kevin Kranz und Michael Pohl. Dazu noch der dritte der Deutschen Meisterschaften über die 200 m Elias Goer und Deborah Levi, eine der besten Deutschen Bob-Anschieberinnen im U23 Bereich. Zudem trainiert auch noch Lisa Mayer und die Siebenkampf-Vizeweltmeisterin Carolin Schäfer (LG Eintracht Frankfurt) seit dieser Saison mit den Trainingsplänen von Corell ihre Schnelligkeit. Insgesamt betreut er mittlerweile zwischen 20 und 25 Sprinter und Sprinterinnen.
Man würde doch sagen, dass man vom Kopf her ein bestimmter Typ sein muss, um ein guter Sprinter zu sein. Ich sage mal gerade bei 100 Metern, da ist ja kein Raum für irgendwelche Fehler. Man hat zehn Sekunden Zeit, um hundert Prozent abzurufen und ja, selbst der kleinste Fehler ist im Prinzip schon fast entscheidend fürs Rennen.
- Benjamin Brömme: Mainathlet, 2019
Doch was macht der 26-Jährige anders, als viele andere Leichtathletik Trainer? Im interview spricht er zum einen davon, dass er immer nach einem bestimmten Sprinter Typ - Geparden - sucht. Dabei zitiert er gerne einen amerikanischen College Trainer, der sagte:"Sprinter sind wie Geparden, also müssen wir sie auch wie Geparden behandeln!" Er such also keine Athleten die problemlos 12 Einheiten pro Woche absolvieren können, sondern vielmehr diejenigen, die bereits nach wenigen Läufen ermüdet sind und lange Pausen zwischen intensiven Einheiten benötigen.
Ja, ich versuche mich einfach an den erfolgreichen Ländern so ein bisschen zu orientieren. Ich gucke viel was passiert in den USA. Was passiert denn in Großbritannien. Ich habe das Gefühl da hinken wir einfach noch ein bisschen hinterher. Und erst einmal aufzuholen und zu gucken was machen die so ein bisschen der erste Schritt. Außerdem versuche ich wirklich jeden Trainingsinhalt wissenschaftlich begründen zu können. Das ist für mich immer so ein bisschen das Problem. Wenn ich Sachen halt nicht wissenschaftlich begründen kann, warum mache ich das dann? Dann mache ich das nicht. Wozu mache ich 10 mal 200 m als guter Sprinter, wenn die nicht richtig richtig schnell sind? Oder achtmal 300m oder zwölf Wiederholungen im Krafttraining? Das sind so Sachen, die sind für mich nicht erklärbar. Und wenn Sie mir jemand erklären kann, dann bin ich offen. Aber wir müssen alles mit einem Warum hinterfragen.
- David Corell: Mainathlet, 2019
So kommt es dann auch, dass die meisten seiner Athleten es mit nur wenigen Einheiten in der Woche bis in die deutsche Spitze geschafft haben. Hier sticht insbesondere der "schnellste Hobbyläufer" Deutschlands, wie Michael Pohl sich gerne selbst bezeichnet, heraus. Nach eigenen Angaben trainiert er, neben seinem Studium, nur viermal pro Woche und konnte damit neben seinem Titel über die 100 m auch eine persönliche Bestzeit von 10.22sec erreichen.
Im Training wird darüber hinaus auch nur das angewendet, was wissenschaftlich nachgewiesen, auch einen nutzen für den Kurzsprint hat. So wird man Einheiten, in denen man 20x200 m mit kurzen Pausen absolvieren soll, wahrscheinlich nicht in seinen Trainingsplänen finden. Doch neben den geringen Umfängen gibt es noch einen weiteren Unterschied zu anderen Trainingsgruppen. Wenn man den Sprintstil seiner Athleten betrachtet, erkennt man, dass diese insbesondere Bereich der Beschleunigung technisch so sprinten, wie es sich international bereits vor gut 10 Jahren durchgesetzt hat. Grob gesagt, wird bei dieser Sprinttechnik bereits ab den ersten Metern auch viel aus den Oberschenkel-Beugern gearbeitet und es findet im Prinzip keine technische Umstellung mehr statt, wenn der Sprinter aus der Beschleunigung in die Topspeed Phase übergeht. Bei vielen anderen Sprintern in Deutschland sind man auch heute noch die "klassische Sprinttechnik", bei der man sich auf den ersten 30 m mittels Kraft aus der Oberschenkel-Vorderseite mit jedem Schritt nach vorne abdrückt und dann im Bereich der höchsten Geschwindigkeit in den Sprintstil wechselt, den David Corells Athleten bereits ab den ersten Metern nutzen.
Der dritte Punkt, auf den David mich aufmerksam gemacht, möchte ich an dieser Stelle noch eingehen. Dabei geht es um Coolness und Nervenstärke. Hier sei ihm während Leichtathletik Hallen-EM erstmals aufgefallen, wie groß auch hier die Unterschiede zwischen den Sprintern aus Deutschland und international etablierten Leichtathleten ist. Laut David sind das im Kopf richtige Killer, die vor einem Sprint mental in den "Krieg" ziehen. Diesen absoluten Willen und diese Abgebrühtheit im Wettkampf finde man bei uns nur selten. Um jedoch auch mental auf dieses Niveau zu kommen, findet es David wichtig, dass möglichst viele gleich starke Athleten zusammen trainieren, zusammen laufen und zusammen starten. Dadurch würde es schon im Training zu den nötigen Konkurrenzsituationen kommen. Nur so könne man als Sportler die erforderliche Nervenstärke für wichtige Wettkämpfe erlangen. Der Grund ist der folgende. Wenn man im Training immer ohne Druck und ohne Konkurrenz läuft, kann man sich zum einen nicht so stark seiner Leistungsgrenze nähern. Zum anderen sind dann solche Drucksituationen ungewohnt, was in einem Wettkampf zwangsläufig zu unnötigem Stress führen wird. Und ein Sprint wird auch im Kopf gewonnen.
Wenn ihr mehr über David und seine Trainingsphilosophie erfahren wollt und wissen wollt, was man braucht um den 100 Meter Weltrekord von Usain Bolt zu brechen, empfehle ich euch die Podcast Folge mit ihm, die ich unter diesem Artikel verlinkt habe.